SCHIKKER WI LOT: CD-RELEASE!!!

Shmuel Lehmans "Ganovim-Lider"

In Erinnerung an Franka Lampe

Manchmal ist es schwer, die richtigen Worte zu finden. Franka Lampe, meine musikalische Weggefährtin und Kollegin, ist im Januar 2016 gestorben. Bevor sie starb, arbeiteten wir gemeinsam an der Produktion unserer zweiten CD "Ganovim-Lider". Mit Eurer Unterstützung wollen wir Franka Lampe und viele Jahre gemeinsame Musik "Schikker wi Lot" feiern und die CD im Mai 2016 veröffentlichen!

CD "Ganovim-Lider"

Die 12 Songs der CD sind eine Hommage an die 1928 erschiene Sammlung "Ganovim-Lider" und den jüdischen Volkskundler Shmuel Lehman (1886-1941), der diese Lieder unter Kriminellen und Gefangenen gesammelt hat. Auf ihren Aufnahmen entdecken Franka Lampe (Akkordeon, Gesang) und Fabian Schnedler (Gesang) diese fast vergessenen Lieder für ein heutiges Publikum behutsam neu. Es sind Blicke auf schwarzhumorige, tragische und dramatische Abgründe des Lebens Krimineller, auf die Entfremdung von den Eltern, die Enge der Gefangenschaft und verlorene Liebe. Eine ernste und sehr unterhaltsame CD.

Shmuel Lehman wäre sicher froh gewesen, zu wissen, dass einige der vom ihm bewahrten Lieder-Schätze im 21. Jahrhundert durch die Aufnahmen von Schikker wi Lot gewürdigt und wieder aufgeführt werden. (Itzik Gottesmann)

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Hörproben

Franka Lampe

Franka Lampe, meine langjährige musikalische Weggefährtin und die zweite Hälfte von “Schikker wi Lot” ist in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar 2016 gestorben.

Herz und Verstand möchten es nicht fassen. Ich stelle mir vor, dass sie gleich die Tür herein kommt und wir Musik zusammen machen und uns um Arrangements streiten. Dass sie sich mit ihrer Idee durchsetzt , weil sie ueberzeugend ist oder weil sie den längeren Atem hat. Aber das wird nicht mehr geschehen.

Für mich war Musik mit Franka machen etwas Selbstverständliches, das zu meinem Leben einfach dazu gehörte. Ich bin Franka dankbar für die Jahre, die wir miteinander auf Bühnen verbracht haben. 14 Jahre, in denen unsere zwei Stimmen - Akkordeon und Gesang - einander zugehört haben. Daran wie still es jetzt neben mir ist, wenn ich die Lieder singe, merke ich, wie sehr sie fehlt.

Fabian Schnedler

Die “Ganovim-Lider” von Shmuel Lehman

Von Itzik Gottesman, Dozent für Jiddische Sprache und Kultur an der Universität Texas (Austin, USA)

Es gibt keinen anderen jüdischen Volkskundler, der zwischen den beiden Weltkriegen so viel Material gesammelt hat, wie Shmuel Lehman (1886-1941). Noch bevor S. An-ski seine berühmte ethnographische Expedition zwischen 1912 und 1914 durch ukranische Orte unternahm, hatte Lehman1910 bereits mehr als fünfzig polnische Orte besucht.

Seine Leidenschaft als zamler begann als junger Mann. Mit nur 14 Jahren schrieb er 1910 das Lied Farsholtn (“Verflucht”) auf, das auch auf dieser CD von Schikker wi Lot zu hören ist. Es war seine Liebe für jiddische Volksmusik und Sprache sowie für das einfache Volk, die Lehman dazu brachte Lieder, Geschichten, Redewendungen, Purim-Spiele, Folklore von Kindern und anderes ethnographisches Material zu sammeln. Er nahm Jobs an, die es ihm ermöglichten durch Polen zu reisen und viele Menschen zu treffen. Durch diverse Berufe z.B. als Losverkäufer finanzierte er seine Feldforschungen. Ironischer- und tragischerweise erhielt er erst im Warschauer Ghetto als Mitglied der von Emanuel Ringelblum geleiteten Untergrundorganisation Oyneg Shabes, finanzielle Unterstützung für seine Sammlertätigkeit. Ziel von Oyneg Shabes war es, das Leben und Sterben im Ghetto zu dokumentieren.

Lehman war für die jüdische Volkskunde auf mehreren Gebieten wegweisend. Für ihn war es selbstverständlich, dass jeder Jiddisch-Sprecher unabhängig von sozialer Herkunft oder ideologischer Überzeugung Volkskunst erschaffen konnte. Da er nicht der Idee anhing, dass Volkskunst “alt” sein müsse, sammelte er auch zeitgenössische Arbeiter- und Streik-Lieder, ein relativ neues Genre, das andere Forscher als nicht “volkskunstwürdig” ablehnten. Das gesammelte Material veröffentlichte Lehman 1921 in Arbet un frayhayt (“Arbeit und Freiheit”) und beschäftige sich weiter mit jüdischen Volksliedern aus dem Ersten Weltkrieg und zu aktuelleren Ereignissen.

Lehman war nicht der einzige Sammler, der während der ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts Folklore aus der jüdischen “Unterwelt” (von Verbrechern, Dieben, Zuhältern und Prostituierten) in Warschau sammelte. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich eine Gruppe von Sammlern um den Anwalt, Linguisten, Politiker und Journalisten Noyekh Prilutski gebildet, der neben Shmuel Lehman auch P. Graubard, Y. Perle und A. Almi angehörten. Sie alle kannten die „heruntergekommenen” Viertel Warschaus und sammelten dort Material, an Shmuel Lehmans intensive Sammlertätigkeit kamen sie jedoch nicht heran. Graubard und Lehman veröffentlichten ihr Ganoven-Material erstmals 1923 in Bay undz yidn (“Bei uns Juden”), darin enthalten sind von Lehman gesammelte Sprichwörter, Anekdoten und Geschichten aus der “Unterwelt”.

Die Sammlung Ganovim-Lider mit Melodies von Shmuel Lehman erschien 1928 in Warschau. Wie die zwölf aus 151 für diese CD ausgewählten Titel zeigen, erzählen die Lieder vom harten Ganoven-Leben: der Entfremdung von den Eltern, der Enge der Gefangenschaft und verlorener Liebe. Trotzdem oder gerade deswegen begegnet einem gelegentlich auch Humor. Für seine Sammlung wählte Lehman insbesondere Liebeslieder aus, um die Menschlichkeit einer Bevölkerungsgruppe (der Ganoven) zu zeigen, die allgemein verachtet wurde. Einige Lieder klingen vertraut, so borgt z.B. das Stück Hert oys einen großen Teil seiner Melodie von dem Volkslied A kholem, a kholem. In den Anmerkungen am Ende seines Buches, weisst Lehman auf Text-Varianten und eine Reihe neuer Wort-Schöpfungen auf Melodien älterer jiddischer Volkslieder hin.

In ihrer natürlichen Umgebung waren diese Lieder keine Hochzeitslieder oder Teil eines Klezmerrepertoires. Sie wurden unbegleitet gesungen oder wenn begleitet dann z.B. mit einem Akkordeon wie auf dieser CD. Schikker wi Lot haben diese Straßen-Atmosphäre auf ihrer CD erfolgreich eingefangen, es ist gut vorstellbar, dass die Lieder so in den Hinterhöfen der Armenviertel Warschaus zu hören waren. Lehman ging von einem Warschauer hoyf zum nächsten und begab sich ins Milieu der “Unterwelt”. Auch wenn er sich manchmal bedroht fühlte, nahm er dies in Kauf, um seine Lieder aufzuschreiben. Er wäre sicher froh gewesen, zu wissen, dass einige der vom ihm bewahrten Lieder-Schätze im 21. Jahrhundert durch die Aufnahmen von Schikker wi Lot gewürdigt und wieder aufgeführt werden.

© Fabian Schnedler
Fotos Stefan Greitzke und Manuel Miethe / CD Gestaltung Doreen Neumayer / Webdesign Steffen Illner / Fabian Schnedler übernimmt keine Haftung für die Inhalte externer Links.